Wenn ich mich richtig erinnere, war es ein Bericht in der SZ, der mich dazu veranlasste, das Buch zu kaufen und lesen zu wollen.
Die Zeit des RAF-Terrors - Silke Maier-Witt gehörte zur 2.Generation - habe ich gut in Erinnerung und mir auch damals schon viele Gedanken gemacht über alle Parteien und Seiten und war immer ein bisschen unentschlossen in meiner Ausrichtung.
Wobei die Gewalt der RAF mich immer abgestoßen hat, die Morde sowieso und spätestens mit den rücksichtslosen Erschießungen auch völlig unpolitischer Privatleute und Zufallspassanten Schluß war mit auch nur leisen Sympathien für die Gruppe. Ihre Motive als solche waren allerdings Themen, die viele junge Menschen umtrieben.
Aber ich will nicht über mich schreiben sondern über das Buch und wie ich es gelesen habe.
Streckenweise fand ich die - allerdings sehr selbstkritische und schonungslos sich öffnende - Charakterdarstellung schwer auszuhalten und auch kaum nachvollziehbar. Besonders ihre Zeit in der DDR mit der geradezu sklavischen Staatstreue und SED- sowie Stasi-Mitgliedschaft machte mir Gänsehaut. Der viel spätere Einsatz als Friendensbotschafterin in Kosovo-Kriegszeiten, ihre dortige dann wirklich radikal friedlich-mutige Art, sich für Verständigung zwischen den Parteien einzusetzen, das Lernen der vielen neuen Sprachen … das wiederum hat mir etwas imponiert. Auch die Bereitschaft, sich mit der Opferseite auszutauschen und diese dabei Regie führen zu lassen. Aber ich möchte hier gar nicht zu sehr auf Einzelheiten eingehen.
Nebenbei habe ich viel parallel nachgelesen, was aus den anderen Mitgliedern der RAF geworden ist. Es gibt dazu eine Wikipedia-Auflistung. Viele leben auch heute noch; es finden sich sehr unterschiedliche Wege, mit der Vergangenheit umgegangen zu sein.
Im Anhang des Buches findet sich ebenfalls eine Aufstellung der beteiligten Personen und ihrer Werdegänge sowie auch Stellungnahmen von Opfer-Angehörigen und einem Bruder von Silke M-W.
Die Autorin hat das Buch auf Betreiben und unter Mithilfe von Reporter André Gronewold geschrieben. Viele unterschiedliche Rezensionen finden sich dazu - gesammelt bei Perlentaucher.
Ein “Fazit” dazu ist schwierig bis unmöglich. Was mir aber zwischenzeitlich immer wieder auf- und einfiel beim Verfolgen der Lebensberichte und Versatzstücke zu Kindheit und Jugend der Gewalttäter: Emotionale Vernachlässigung, radikale Fremdbestimmtheit mit Machtlosigkeitserfahrungen und fehlende Liebe in jungen Jahren ist schon auch u. U. ziemlich gefährlich!
Einige Zitate aus dem Buch noch:
„Von Anfang an war mein Verhältnis zu den Illegalen devot. Ich bewunderte sie, wollte alles für sie tun, was ich tun konnte, wollte von ihnen akzeptiert werden.
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Ich nehme es hin – aus heutiger Sicht habe ich mich opportunistisch, feige, um die Anerkennung der Gruppe buhlend verhalten. Eine willenlose Mitläuferin. Eine traurige Figur.“
„Der Tod der Frau bei dem Banküberfall in der Schweiz hat mir plötzlich vor Augen geführt, was wir taten. Und das wollte ich nicht mehr. Doch trotz dieser Erkenntnis habe ich auch danach in dem Widerspruch gesteckt, die Politik der RAF noch immer irgendwie richtig zu finden. Der Anspruch, »gegen den Imperialismus« kämpfen zu müssen, war schreckliche Realität und stand im Kontrast zur Tatsache, dazu selbst nicht fähig zu sein. In einer entsetzlichen Verkehrung der Werte hielt ich meine Unfähigkeit zu töten für eine Schwäche.“
„IMS heißt übrigens ganz offiziell »Inoffizieller Mitarbeiter zur politisch-operativen Durchdringung und Sicherung des Verantwortungsbereiches«. Diese drei Buchstaben »IMS« lösten damals bei mir kein Entsetzen oder moralische Bedenken aus. Ich empfand die mir übertragene Aufgabe auch nicht als Bespitzelung und war bereit, als Informelle Mitarbeiterin für das MfS zu arbeiten. Ich habe damals allerdings nicht wirklich realisiert, worauf ich mich eingelassen habe. Für mich stand im Vordergrund, dass ich nun offiziell die anderen regelmäßig besuchen konnte.“
„Während der Wende und vor allem nach meiner Verhaftung habe ich mit Schrecken festgestellt, dass ich mich zum zweiten Mal einer Ideologie verschrieben hatte. Ich konnte und wollte nicht wahrhaben, wie sehr in der DDR Zwang und Kontrollwut eingesetzt wurden, um die Illusion vom Sozialismus aufrechtzuerhalten. Wieder einmal hatte ich Zweifel nicht zugelassen, meine eigenen Gefühle nicht wahrhaben wollen und Kritik als antikommunistische Propaganda abgetan.“
„Die Einsamkeit, die Härte, die Kampfbereitschaft – all das fängt in der Haft an, von mir abzufallen. Das Gefühl, alt, grau, gefühllos, verkrampft und verhärtet zu sein, lässt nach. Ich lerne loszulassen. Da ist etwas in mir, das befreit werden und wachsen will.“
💣 🕊️
„Von Anfang an war mein Verhältnis zu den Illegalen devot. Ich bewunderte sie, wollte alles für sie tun, was ich tun konnte, wollte von ihnen akzeptiert werden.
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Ich nehme es hin – aus heutiger Sicht habe ich mich opportunistisch, feige, um die Anerkennung der Gruppe buhlend verhalten. Eine willenlose Mitläuferin. Eine traurige Figur.“
„Der Tod der Frau bei dem Banküberfall in der Schweiz hat mir plötzlich vor Augen geführt, was wir taten. Und das wollte ich nicht mehr. Doch trotz dieser Erkenntnis habe ich auch danach in dem Widerspruch gesteckt, die Politik der RAF noch immer irgendwie richtig zu finden. Der Anspruch, »gegen den Imperialismus« kämpfen zu müssen, war schreckliche Realität und stand im Kontrast zur Tatsache, dazu selbst nicht fähig zu sein. In einer entsetzlichen Verkehrung der Werte hielt ich meine Unfähigkeit zu töten für eine Schwäche.“
„IMS heißt übrigens ganz offiziell »Inoffizieller Mitarbeiter zur politisch-operativen Durchdringung und Sicherung des Verantwortungsbereiches«. Diese drei Buchstaben »IMS« lösten damals bei mir kein Entsetzen oder moralische Bedenken aus. Ich empfand die mir übertragene Aufgabe auch nicht als Bespitzelung und war bereit, als Informelle Mitarbeiterin für das MfS zu arbeiten. Ich habe damals allerdings nicht wirklich realisiert, worauf ich mich eingelassen habe. Für mich stand im Vordergrund, dass ich nun offiziell die anderen regelmäßig besuchen konnte.“
„Während der Wende und vor allem nach meiner Verhaftung habe ich mit Schrecken festgestellt, dass ich mich zum zweiten Mal einer Ideologie verschrieben hatte. Ich konnte und wollte nicht wahrhaben, wie sehr in der DDR Zwang und Kontrollwut eingesetzt wurden, um die Illusion vom Sozialismus aufrechtzuerhalten. Wieder einmal hatte ich Zweifel nicht zugelassen, meine eigenen Gefühle nicht wahrhaben wollen und Kritik als antikommunistische Propaganda abgetan.“
„Die Einsamkeit, die Härte, die Kampfbereitschaft – all das fängt in der Haft an, von mir abzufallen. Das Gefühl, alt, grau, gefühllos, verkrampft und verhärtet zu sein, lässt nach. Ich lerne loszulassen. Da ist etwas in mir, das befreit werden und wachsen will.“
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