Mittwoch, 9. Juli 2025

Carlo Rovelli, Helgoland

“Wie die Quantentheorie unsere Welt verändert”

Die Quantentheorie hat die Grundlagen der Chemie aufgeklärt, ebenso die Funktionsweise der Atome, der Festkörper, der Plasmen, die Farbe des Himmels, die Nervenzellen im Gehirn, die Bewegung der Sterne, den Ursprung der Galaxien … tausend Aspekte der Welt. Sie bildet die Grundlage der modernsten Technologien: von Computern bis zu Atomkraftwerken. Ingenieure, Astrophysiker, Kosmologen, Chemiker und Biologen wenden sie täglich an. In Teilen gehört die Theorie zum Lehrstoff an weiterführenden Schulen. Sie hat sich nie geirrt. Sie bildet das schlagende Herz der heutigen Wissenschaft. Und doch bleibt sie zutiefst rätselhaft. Irgendwie beunruhigend.Sie hat das Bild einer Wirklichkeit zertrümmert, das aus Teilchen bestand, die sich auf festgelegten Kreisbahnen bewegen, ohne jedoch zu erklären, wie wir uns die Welt stattdessen vorzustellen haben. — Rovelli, Carlo. „Helgoland.“ Rowohlt E-Book, p. 14-15

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Der Physikprofessor und Autor Carlo Rovelli zertrümmert quasi alle Fundamente dessen, was selbstverständlich scheint, fordert das Hirn heraus und lässt es auch ab und zu krachen. Wobei mir mehrfach der Gedanke kam: “Ist ja wie Rechnen in der Grundschule oder Mathe am Anfang der Unterstufe. Das Ergebnis so logisch und klar, dass die Erklärung des Lösungswegs dahin alles unnötig verkompliziert” ;-)  Insgesamt liest es sich unterhaltsam und spannend.

Auf das Buch brachte mich ein vorher gelesenes: Pi mal Daumen von Alina Bronsky

Es ist nicht notwendig, über irgendwelche tieferen oder auch nur Grundkenntnisse in Physik zu verfügen, Physik gemocht zu haben oder sonstwie mathematisch orientiert unterwegs zu sein. Es reicht letztlich das Wissen, womit Naturwissenschaften und Mathematik sich allgemein auseinandersetzen. Noch viel nützlicher ist die Freude am Nachdenken über das Leben als solches und über alles “was die Welt im innersten zusammenhält”.

Einige Begriffe und Konstanten tauchen auf, werden erklärt und wer sie näher kennenlernen oder sich damit beschäftigen will (ich wollte nach kurzen Versuchen nicht mehr, da sie mir zeigten, wie wenig - gegen Null tendierende - Ahnung ich von Physik habe ;), findet einen umfangreichen Anhang. 

Danach sind Leser des Buchs also keineswegs besser in dem, was man unter dem Fach “Physik” gemeinhin versteht. Können auch keine Bomben bauen oder den nächsten Nobelpreis anstreben.

Haben aber viel über die Entwicklung der Quantentheorie gelernt, viel über bekannte Physiker erfahren, Verbindungen zu Philosophie erkannt und ich zumindest bekam bestätigt, was mir eigentlich schon immer klar war: Schrödingers Katze in der Kiste hat natürlich in der Realität einen ganz klaren Zustand und dass man mit Rechnungen sowohl ihren lebendigen als auch den toten Zustand beweisen kann oder eine Art Schwebezustand dazwischen, heißt nur, dass die Rechnungen unscharf sind. Hätte Schrödinger die Kiste einfach mal aufgemacht … aber darum ging’s ihm ja gar nicht :-p

Wie der amerikanische Philosoph Erik C. Banks im oben stehenden Motto zu diesem Kapitel schreibt: «So geheimnisvoll das Geist-Körper-Problem für uns auch sein mag, wir müssen uns stets daran erinnern, dass es für die Natur ein gelöstes Problem ist. — Rovelli, Carlo. „Helgoland.“ Rowohlt E-Book, p. 120


Wie bereits geschrieben: ab und zu hat mein Hirn 🧠 geknackt und forderte Lesepausen ein. Das Lesen dauerte deutlich länger als bei mir sonst üblich weil ich erpicht war, die streckenweisen neuen Inhalte auch zu erfassen. Ich gehe davon aus, dass es den ollen Hirnzellen mindestens so dienlich ist wie das Lernen neuer Fremdsprachen. Und war mal was für mich so ganz unübliches. Den an vielen Stellen sehr guten Bewertungen und begeisterten Rezensionen pflichte ich bei.. Schon alleine, weil auch Douglas Adams mit einem Zitat aus “Lachs im Zweifel; zum letzten Mal per Anhalter durch die Galaxis” zu Wort kommt:


«Die Tatsache, dass wir am Grund eines Gravitationsschachts, auf der Oberfläche eines von einer Gashülle umgebenen Planeten leben, der sich um einen 90 Millionen Meilen entfernten atomaren Feuerball dreht, und das für normal halten, deutet zweifellos darauf hin, wie schräg unsere Perspektive manchmal ist […]. — Rovelli, Carlo. „Helgoland.“ Rowohlt E-Book, p. 90



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