Donnerstag, 30. Oktober 2025

Lutz Geißler, Besser VOLLKORN backen

Liebe auf den ersten Blick war es. Gesehen, reingeblättert in das dem vollen Korn gewidmete Backbuch des … ich würde ihn so nennen … “Backpapstes” Lutz Geißler … und direkt gekauft.

Einiges habe ich von ihm gelernt auf meinem autodidaktischen Weg zur Brotbäckerin. Anfangs fand ich seine Ausführungen oft verflixt kompliziert. Er geht in die Tiefe, schreckt nicht zurück vor auch kniffeligen Feinheiten. 

Manchmal war mir das zu … verwissenschaftlicht .. und ich griff lange lieber auf etwas unkompliziertere Anleitungen und Ideengeber zurück. 

Doch es nützt nix: will man dabei bleiben - und ich will und bleibe -  und die Materie auch immer wieder aus neuen Blickwinkeln beleuchten, landet man notgedrungen immer wieder bei ihm, dem spürbar leidenschaftlichen Bäcker und Backlehrer.

Umso begeisterter war ich, als ich dieses Vollkorn-Spezialbuch entdeckte. Mit Vollkorn zu backen, ist nochmal um ein paar Nummern … anspruchsvoller und will man nicht bröselig-trockene Erzeugnisse erhalten, müssen viele kleinere Wissens- und Verhaltensregeln einfließen. Die Vollkorn- und Urkorn-Sonderausgaben des Magazins “Brot” befinden sich ebenfalls alle in meinem angeschafften Fundus.


Bisher habe ich mich lediglich durch die reichhaltigen und leserfreundlich vermittelten Theorieteile quergelesen, einige Rezepte favorisiert und mit bunten Klebebändchen für die ersten Versuche gemarkert. Freue mich schon total drauf, damit demnächst loszulegen. So viele viel versprechende Rezepte! 


Besonders gefällt mir die “zweigleisige” Methode der Rezeptdarstellung: einmal eine Art “Schnellversion” für “Profis” und Erfahrene, danach die gründliche und ausführliche Version für Einsteiger. Ich selber werde vermutlich eine Mischung aus beidem beim Backen verwenden, wie ich jetzt schon beim Durchsehen erkennen konnte. Auf einen Blick sehen, was und wie lange gebraucht wird. Hilfreich für auf-einen-Blick-Entscheidungen. Beim Backen dann - wenn Bedarf besteht - granularere Schrittbeschreibungen. Gefällt mir gut!


Zumal in meinen Vorratsschränken momentan gut 20kg diverser Getreidekörner und nochmal etwa 10kg schon gemahlener Mehle auf ihren Einsatz warten. Meistens setze ich auf nur anteilig (möglichst >50%) Vollkorn. Mit gelegentlichen Abweichungen in beide Richtungen. 

Die Produkte werden dann evtl. (ohne Garantie oder Vollständigkeitsanspruch) in meinem derzeit etwas brachliegenden Küchen-Backblog-Bereich gezeigt. Obwohl ich regelmäßig Brot, Brötchen und anderes backe, ist mir die Dokumentation meist zu mühsam. Dieser auch Besuchern kredenzte Einkorn-Vollkorn-Kaiserschmarren beispielsweise kam unglaublich gut an! ich hatte erst gestanden, dass es sich um Vollkorn handelt, als alle schon des Lobes und Schmarren voll waren 😜


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Montag, 20. Oktober 2025

Nady Mirian, Leid

“Du kannst nicht wissen, ob du resilient bist, solange du keine Leiderfahrungen »erfolgreich« – das heißt, ohne psychische und physische Langzeitfolgen – bewältigt hast. Leid und Resilienz bilden für mich ein Kontinuum. Ohne das eine, gibt es auch das andere nicht. — Mirian, Nady. „Leid – Die emotionalen Wellen des Lebens.“ Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, 2024, p. 23”

Für mich eine Binsenweisheit. Nicht falsch aber noch weniger neu. Leider fand ich, dass dieses Buch mit viel versprechendem Titel dann nicht mehr als mehrere davon zu bieten hatte. Jedenfalls mir nicht. 

Was auch u. a. daran gelegen haben mag, dass es sich wohl stärker an eher recht junge Menschen wendet und diejenigen, die solche Binsenweisheiten schon mehrfach schon aufgrund des Alters nicht nur  lesen sondern (durch)leben und (er)leiden  mussten bzw. durften, sich in den viel zu vielen  “wir” und ansonsten durchgängigen “Du”-Anreden nicht wirklich wiederfinden. 

Ich jedenfalls tat es nicht. Fand es trocken und relativ blutleer. Es konnte mich nicht mitnehmen oder fesseln. Hab’s dann auch immer mehr nur überflogen mit gelegentlichen wieder-Einhakern damit ich ihm bzw. der Autorin nicht unrecht tue indem ich dann doch zentrale Dinge überlese. War aber nicht der Fall.

Und wenn schon Theorie-orientiert, dann fehlten mir wichtige Aspekte zum Thema wie z. B. den Umgang philosophischer / religiöser Strömungen, die diesen Begriff ebenfalls zentral behandeln. Nix davon. Mehr immer so im Stil “Du musst”, “Man muss”, “Wir erkennen …”  und dieser und jener Promi hatte doch auch Leiderfahrungen und meine Interviews mit ihnen haben mir gezeigt, wie toll die das bewältigt haben. Alles irgendwie ein wenig … oberflächlich. Wie gesagt: für junge LeserInnen evtl. ein Weg zum Themeneinstieg. Und zum mit den eigenen Leiderfahrungen nicht alleine fühlen. Mag sein. Es geht auch in erster Linie um eine Art Anleitung zum Entwickeln von Resilienz.

Wie ich drauf kam und das Buch in die Vormerkliste der Onleihe, daran erinnere ich mich nicht mehr. Die vorher gelesenen Bücher waren es nicht. Trotz ähnlicher  bzw. streckenweise verwandter Thematiken taucht es dort nicht auf. Aber ich kann den allgemeinen Hang zu eher schweren Themen mit Neigung sogar zur leichten Morbidität eben nicht verleugnen ;-)


Noch eine kleine aber wie ich finde schöne “Binsenweisheit” zum Schluss. Auch mehr so der Kalenderspruch aber ein netter, den ich ggf. abgerissen und weitergereicht hätte bei passender Gelegenheit:

“Du wirst aus diesem Leben nicht lebend rauskommen, also kämpfe nicht gegen das Leben an, sondern lebe es.” — Mirian, Nady. „Leid – Die emotionalen Wellen des Lebens.“ Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, 2024, p. 144


😥


Mittwoch, 15. Oktober 2025

Irvin D. Yalom, In die Sonne schauen

Axel Hacke hat im von mir vorher gelesenen  “Wie fühlst du dich” dieses Buch von Psychoanalytiker Irvin D. Yalom erwähnt bzw. einige Aussagen daraus auch ausführlicher behandelt. Das hat mich darauf neugierig gemacht. Insbesondere Thesen zum Thema “Todesangst”, die ich zunächst für mich und überhaupt in Frage stellen wollte. Also mal genauer rein- und hinlesen.

Nun .. ein bisschen zu sehr auf das Thema “Todesangst” quasi als Erklärung für alle Ängste ansich und überhaupt .. fixiert .. reduziert … fand ich die psychoanalytischen geschilderten Fallbeispiele irgendwie schon. Ist vermutlich (zum Glück) einfach nicht so mein beherrschendes Thema. Andererseits durchaus gut zu lesen und interessant ausgewählt.

Auch sehr persönlich angegangen mit viel bewusster Selbstoffenbarung des Therapeuten, die er auch in seinen Analysen praktiziert und weiterempfiehlt. Finde ich interessant … sowas wie “Therapie auf Augenhöhe mit weitgehender Gleichberechtigung”. Und mit viel Eigenverantwortung und Eigenaufgaben.  Hat mich - bisher untherapiert - direkt neugierig gemacht. 


„In unserem Leben kann keine positive Veränderung geschehen, solange man sich an den Gedanken klammert, der Grund dafür, dass man nicht gut lebt, liege außerhalb einem selbst. Solange man die Verantwortung ganz und gar auf andere schiebt, die einen unfair behandeln – ein rüpelhafter Ehemann, ein fordernder und nicht fördernder Chef, schlechte Gene, unwiderstehliche Zwänge -, wird die eigene Situation in der Sackgasse verharren. Sie selbst und nur Sie allein sind für die entscheidenden Aspekte Ihrer ganz persönlichen Lebenssituation verantwortlich, und nur Sie selbst haben die Macht, sie zu verändern. Und selbst wenn Sie mit übermächtigen äußeren Einschränkungen konfrontiert sind, haben Sie noch immer die Freiheit und die Wahl, verschiedene Haltungen diesen Einschränkungen gegenüber einzunehmen“
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„Tod ist Schicksal. Der Überlebenswunsch und die Angst vor der Auslöschung werden immer da sein. Es ist ein Instinkt – im Protoplasma eingebaut -, der einen entscheidenden Effekt darauf ausübt, wie man lebt.

Durch die Jahrhunderte haben wir Menschen ein enormes Aufgebot an Methoden entwickelt – manche bewusst, manche unbewusst und vielleicht so zahlreich, wie es Individuen gibt -, um die Angst vor dem Tod erträglicher zu gestalten. Manche Methoden funktionieren, manche sind fragwürdig und ineffektiv.“


P. S. Das Buch hat nichts mit dem Film zu tun, der derzeit in den Kinos läuft und der deutsche Beitrag für’s Festival in Cannes ist

🌞


Samstag, 11. Oktober 2025

Axel Hacke, Wie fühlst du dich?

Fühlst du dich nicht sofort angesprochen beim Lesen des Titels?

Ich jedenfalls tat es,  bestellte das Buch  noch vor seinem offiziellen  Erscheinen vor und hibbelte - noch anderes lesend und vor allem viel anderes zu tun habend  - darauf hin, endlich damit loslesen zu können.

Von Axel Hacke habe ich schon einige Bücher gelesen. Nicht alle! Manchmal (z. B. beim Vorgänger  “Aua”) fühle ich mich ganz und gar nicht angesprochen. Oft gibt es bei mir innerlich große Zustimmung; häufig aber auch - hier ebenfalls - an einigen Stellen auch mal Widerstreben und Diskussionsbedarf (den ich dann mit mir selber abhandle üblicherweise). 

Das aber auf eine mir sehr genehme anregende Art. Nicht vor den Kopf gestoßen sondern eingeladen zum Mit- und auch mal Andersdenken. So fühle ich mich beim Lesen.

Habe einige Anregungen auf meine Leseliste mitgenommen daraus.




💢

Freitag, 3. Oktober 2025

Chloe Dalton, Hase und ich

Aus der außergewöhnlichen Begegnung heraus hat Chloe Dalton eindeutig ein außergewöhnliches Buch geschrieben, das auch noch außergewöhnlich gut übersetzt ist. Es berührt. So wie der gefundene Hase bei der Autorin neue Perspektiven eröffnet und Blickwinkel verändert hat, vermag dies auch ihr Buch bei Lesern.

Gleichzeitig geschmeidig, sprachgewandt, emotional mit immer wieder streng sachlichen Passagen. Nähe wechselt ab mit Distanz. Stille und Geruhsamkeit existiert parallel zu Energie und Lebendigkeit.

Einmal angefangen fiel es mir immer wieder auch schwer, Lesepausen einzuschieben. Es sollte eigentlich aufgehoben werden für die angekündigten Regentage - hab’ ich nicht geschafft.

Den durchweg positiven Rezensionen kann und möchte  ich mich vorbehaltlos anschließen.



🌿





Donnerstag, 2. Oktober 2025

Silke-Maier Witt, Ich dachte, bis dahin bin ich tot


Wenn ich mich richtig erinnere, war es ein Bericht in der SZ, der mich dazu veranlasste, das Buch zu kaufen und lesen zu wollen.

Die Zeit des RAF-Terrors  - Silke Maier-Witt gehörte zur 2.Generation - habe ich gut in Erinnerung und mir auch damals schon viele Gedanken gemacht über alle Parteien und Seiten und war immer ein bisschen unentschlossen in meiner Ausrichtung. 

Wobei die Gewalt der RAF  mich immer abgestoßen hat, die Morde sowieso und  spätestens mit den rücksichtslosen Erschießungen auch völlig unpolitischer Privatleute und Zufallspassanten Schluß war mit auch nur leisen Sympathien für die Gruppe. Ihre Motive als solche waren allerdings Themen, die viele junge Menschen umtrieben.

Aber ich will nicht über mich schreiben sondern über das Buch und wie ich es gelesen habe.

Streckenweise fand ich die - allerdings sehr selbstkritische und schonungslos sich öffnende  - Charakterdarstellung schwer auszuhalten und auch kaum nachvollziehbar. Besonders ihre Zeit in der DDR mit der geradezu sklavischen Staatstreue und SED- sowie Stasi-Mitgliedschaft machte mir Gänsehaut. Der viel spätere Einsatz als Friendensbotschafterin  in Kosovo-Kriegszeiten, ihre dortige dann wirklich radikal friedlich-mutige Art, sich  für Verständigung zwischen den Parteien einzusetzen, das Lernen der vielen neuen Sprachen … das wiederum hat mir etwas imponiert. Auch die Bereitschaft, sich mit der Opferseite auszutauschen und diese dabei Regie führen zu lassen. Aber ich möchte hier gar nicht zu sehr auf Einzelheiten eingehen.

Nebenbei habe ich viel parallel nachgelesen, was aus den anderen Mitgliedern der RAF geworden ist. Es gibt dazu eine Wikipedia-Auflistung. Viele leben auch heute noch; es finden sich sehr unterschiedliche Wege, mit der Vergangenheit umgegangen zu sein.

 Im Anhang des Buches findet sich  ebenfalls eine Aufstellung der beteiligten Personen und ihrer Werdegänge sowie auch Stellungnahmen von Opfer-Angehörigen und einem Bruder von Silke M-W.

Die Autorin hat das Buch auf Betreiben und unter Mithilfe von Reporter André Gronewold geschrieben. Viele unterschiedliche Rezensionen finden sich dazu - gesammelt bei Perlentaucher.



Ein  “Fazit” dazu ist schwierig bis unmöglich. Was mir aber zwischenzeitlich immer wieder auf- und einfiel beim Verfolgen der Lebensberichte und Versatzstücke zu Kindheit und Jugend der Gewalttäter: Emotionale Vernachlässigung, radikale Fremdbestimmtheit mit Machtlosigkeitserfahrungen und fehlende Liebe in jungen Jahren ist schon auch u. U. ziemlich gefährlich!


Einige Zitate aus dem Buch noch:

„Von Anfang an war mein Verhältnis zu den Illegalen devot. Ich bewunderte sie, wollte alles für sie tun, was ich tun konnte, wollte von ihnen akzeptiert werden. 

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Ich nehme es hin – aus heutiger Sicht habe ich mich opportunistisch, feige, um die Anerkennung der Gruppe buhlend verhalten. Eine willenlose Mitläuferin. Eine traurige Figur.“


„Der Tod der Frau bei dem Banküberfall in der Schweiz hat mir plötzlich vor Augen geführt, was wir taten. Und das wollte ich nicht mehr. Doch trotz dieser Erkenntnis habe ich auch danach in dem Widerspruch gesteckt, die Politik der RAF noch immer irgendwie richtig zu finden. Der Anspruch, »gegen den Imperialismus« kämpfen zu müssen, war schreckliche Realität und stand im Kontrast zur Tatsache, dazu selbst nicht fähig zu sein. In einer entsetzlichen Verkehrung der Werte hielt ich meine Unfähigkeit zu töten für eine Schwäche.“


„IMS heißt übrigens ganz offiziell »Inoffizieller Mitarbeiter zur politisch-operativen Durchdringung und Sicherung des Verantwortungsbereiches«. Diese drei Buchstaben »IMS« lösten damals bei mir kein Entsetzen oder moralische Bedenken aus. Ich empfand die mir übertragene Aufgabe auch nicht als Bespitzelung und war bereit, als Informelle Mitarbeiterin für das MfS zu arbeiten. Ich habe damals allerdings nicht wirklich realisiert, worauf ich mich eingelassen habe. Für mich stand im Vordergrund, dass ich nun offiziell die anderen regelmäßig besuchen konnte.“


„Während der Wende und vor allem nach meiner Verhaftung habe ich mit Schrecken festgestellt, dass ich mich zum zweiten Mal einer Ideologie verschrieben hatte. Ich konnte und wollte nicht wahrhaben, wie sehr in der DDR Zwang und Kontrollwut eingesetzt wurden, um die Illusion vom Sozialismus aufrechtzuerhalten. Wieder einmal hatte ich Zweifel nicht zugelassen, meine eigenen Gefühle nicht wahrhaben wollen und Kritik als antikommunistische Propaganda abgetan.“


„Die Einsamkeit, die Härte, die Kampfbereitschaft – all das fängt in der Haft an, von mir abzufallen. Das Gefühl, alt, grau, gefühllos, verkrampft und verhärtet zu sein, lässt nach. Ich lerne loszulassen. Da ist etwas in mir, das befreit werden und wachsen will.“




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