Dienstag, 16. September 2025

Mareike Fallwickl, Und alle so still


«Ich hab mich gefragt, was wäre, wenn alle Frauen sich verweigern würden», sagt Lola, und es ist wahr, sie stellt sich diese Dinge vor, beim Einschlafen und auch im Wachsein, «wenn sie nichts mehr tun würden, gar nichts, nicht zur Arbeit gehen, nicht kochen, nicht putzen, sie würden keinen Bus lenken und kein Hemd bügeln, nicht an der Supermarktkassa sitzen und keine Klasse unterrichten, sie würden einen umfassenden Stillstand erzwingen und sagen: Das sind unsere Körper, unsere allein, und wenn ihr glaubt, sie gehören euch, dann wollen wir doch mal sehen.»Als ich 2021 diese Sätze für meinen Roman «Die Wut, die bleibt» geschrieben habe, wusste ich bereits, dass darin eine weitere Geschichte, ein neues Buch steckt. — Fallwickl, Mareike. „Und alle so still.“ Rowohlt E-Book, p. 307


Dass dieses Buch eine Art Fortsetzung zu “Die Wut, die bleibt” darstellt, hatte ich mir selber gedacht schon bevor ich den Dankestext (s. Zitat) am Ende vom “Und alle so still” gelesen habe. 


Dass ich ersteren Roman so gut - geradezu bahnbrechend gut - fand, ihn auch nach dem digitalen Lesen nochmal gekauft und verschenkt habe, zeigt schon, wie hoch vermutlich meine Erwartungen an diesen Roman waren. Umso größer die Enttäuschung, ja geradezu das Entsetzen darüber, wie - für meinen Geschmack und meine Meinung - grottenschlecht die Umsetzung geraten ist.


Zuerst mal wird von verschiedenen Personen an verschiedenen Orten massiv so unappetitlich wie irgend möglich in der Gegend rumge”fickt”:


Den Ersten fickt sie gegen dreizehn Uhr. Er wartet in der Umkleide neben der Alpensauna, dritte Tür rechts. Elin geht ohne Schuhe hinunter und ohne Jacke, streift die Träger des Jumpsuits ab, da hat er schon die Hände auf ihr, greift ihr zwischen die Beine. Sie ist nass, er grinst, als wäre es sein Verdienst. — Fallwickl, Mareike. „Und alle so still.“ Rowohlt E-Book, p. 


Gerne auch in unterschiedlichst drapierte “Kotze” und Toilettenumfelder eingebunden:


… wie sie sich in der Kabine küssen und die Schwarzhaarige ihr Kleid hochschiebt, während Valentin sich bemüht, nicht mit seinen Nike-Sneakern in die Kotze zu treten. — Fallwickl, Mareike. „Und alle so still.“ Rowohlt E-Book, p. 32


Wozu das für Text, späteres Geschehen oder Aussage gut sein soll, erschließt sich mir nicht. 


Eine bemüht oder krampfig-unpassend  wirkende Metapher jagt die nächste. Jede für sich akzeptabel aber in der Häufung verkleistern sie - mit Verlaub darf ich bitte auch mal - dem Leser die erwartungsvoll geöffneten  Hirnwindungen wie heimtückische Tentakeln der Covid19-Viren 😜


… sein Rachen voll mit dem zähen Schleim von Ungesagtem — Fallwickl, Mareike. „Und alle so still.“ Rowohlt E-Book, p. 41


Ruth. «Ich hatte keine Zeit», sagt Ruth leise, beißt auf das schlechte Gewissen in ihrer Backe wie auf eine faul gewordene Nuss. — Fallwickl, Mareike. „Und alle so still.“ Rowohlt E-Book, p. 55


Jetzt schaut sie die Tasse an, blinzelt, das neue Leben, das über dem alten liegt, ist klumpig und schwer. — Fallwickl, Mareike. „Und alle so still.“ Rowohlt E-Book, p. 75


Der Gestank schmeißt sich auf Nuri wie ein kicherndes Kind, er hat es nicht kommen sehen. Er würgt heftig. — Fallwickl, Mareike. „Und alle so still.“ Rowohlt E-Book, p. 93


Uns immer wieder Kotze, Wut, dreckige Klos ..


Er schrubbt die verkrustete Kotze von der Klobrille, sticht mit der Bürste zu, bis die Brocken sich lösen, er spült und trocknet, füllt das Papier auf, in wenigen Stunden wird es wieder genauso aussehen, angespuckt und angeschissen. Vier Kondome findet er in den Kabinenecken und den Mülleimern, eines davon hatte Valentin auf seinem Schwanz. Er poliert den Wasserhahn mit dem Lappen. Aus dem Spiegel schaut ihn ein Fremder an. Er würde ihn gern umarmen. — Fallwickl, Mareike. „Und alle so still.“ Rowohlt E-Book, p. 44


Ich war mehrmals kurz davor, das Lesen ärgerlich zu beenden. Zumal gerade das erste Viertel geradezu unleserlich hakelig im Stakkato-Stil zusammengehackstückt wirkt. Eine Lesezumutung.


Mag sein, dass es ein gewollter Kunstgriff der Autorin sein sollte - für mich war’s einer ins Klo voll Kotze. Sorry. Müssen ja mal wieder raus, die beim Lesen massiv angestauten Ausscheidungsprodukte der handelnden Personen.


Warum habe ich dann doch weitergelesen? Vermutlich wirklich wegen dieses Blogs hier. Wollte auch mal einen Total-Verriss loslassen 🤭


Um der Wahrheit die Ehre zu geben: es wird im Verlauf immer weniger schlimm. Vielleicht gewöhnt frau sich auch … die Handlung ist gewollt “visionär” … aber für mich erstmal hauptsächlich bescheuert, ohne den Hauch von Anbindung an irgendwas.  Die Personen und Charaktere nervig aus der Welt gefallen, die Sicht kommt gönnerhaft-belehrend daher  … okay - ich höre auf damit. 


Das Buch hat an vielen Stellen sehr gute Bewertungen und ist auf Bestsellerlisten gelandet. Warum auch immer. Die guten Bewertungen eher nicht von Rezensentinnen (siehe Überschrift-Verlinkung). Ganz alleine bin ich mit meinem Geschmack also nicht. Wäre mir aber letztlich wurscht. Ich find’s grauenhaft. Und obwohl ich ja weiß, dass Mareike Fallwickl auch in meinen Augen unglaublich wichtig-gutes geschrieben hat … ist sie bei mir jetzt wohl erstmal durch  .. und  nicht mehr auf Merk- und Wunschlisten. Meine feministischen Tendenzen wurden auch in keiner Weise gefördert. Es kam mir häufiger die Intuition, dass - obwohl das Gegenteil beabsichtig war - dem Feminismusgedanken hier ein Bärendienst geleistet wurde.


Überhaupt ist dadurch bei mir das Bedürfnis nach einer Lesepause entstanden. Ich glaub’, ich konzentriere mich für eine Weile auf andere Hobbys.



🚽 🚾 🧻





Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen