- Buddhadeva Bose, Das Mädchen meines Herzens (Hardcover)
Aus dem Bengalischen von Hanne-Ruth Thompson - erschienen 1951
Zunächst muss ich erzählen, wie dieses auf den ersten Blick sehr schnulzig wirkende Buch zu mir gekommen ist:
Am 1. Januar war es, als ich mit dem besten Ehemann von allen vom Neujahrsschwimmen am Flaucher an der Isar in München zurückging zum Auto. Vor einer Wohnsiedlung stand einer dieser Kartons mit ausgemusterten Büchern. Darin alles, was ich selber vor Jahren schon dem Altpapiercontainer anvertraut hatte: Böll, Dürrenmatt, Frisch, Sartre etc.
Und aus all diesen verblichenen Büchern der Achtziger leuchtete mich ein buntes Hardcover an, das nicht reinzupassen schien in den Lesegeschmack eines vielleicht gerade verstorbenen (?) Gleichaltrigen, dessen Erben seine Habseligkeiten ausmisteten.
Ich griff es aus dem Karton heraus, las die Klappentexte (s. u.) und hörte es deutlich flüstern: „Nimm‘ mich! Lies‘ mich!“
Ich tat wie geheißen. Es wanderte erstmal auf dem Stapel der noch zu lesenden Bücher, dann ins Mobil, wo es als erste Urlaubslektüre diente. Und wie gut, dass ich es erhört habe!
Es ist keine „Schnulze“ und auch keine Liebesgeschichte im eigentlichen Sinn. Sondern gleich vier davon. Eingerahmt in eine flüchtige Episode erzählen vier völlig unterschiedliche Männer die völlig unterschiedlichen Geschichten ihrer „ersten Liebe“. Berichten in komplett verschiedenen Erzählstilen die Begegnung mit der ersten Frau, die ihr Herz berührte. Mit ebenfalls sehr unterschiedlichen Ausgängen.
Eingebettet in diese Erzählungen erscheinen lebhaft die Lebensumstände dieser bengalischen Männer - es spielt hauptsächlich in Kalkutta und Dhaka - widmet sich den zu dieser Zeit typischen sozialen Verflechtungen, westlichen Kultureinflüssen, Frauenthemen incl. dem Konflikt zwischen aufkeimender Bildung auch für Frauen und traditionellen Lebensformen, insbesondere der frühen Verheiratungen.
Aber über alledem stehen tiefe emotionale Empfindungen. Das mit der Liebe 🧡 ist wohl doch irgendwie in allen Zeiten und rund um den Erdball irgendwie ähnlich. Dafür, dass der Autor dieses Buch nur als eine Art „Fingerübung“ geschrieben hat und es nicht zu seinen bekanntesten zählt, ist es doch beeindruckend.
P. S. Buddhadeva Bose stand - das war dem Nachwort der Übersetzerin zu entnehmen - zweimal in Indien vor Gericht weil er sich Themen widmete, die dort als strenges Tabu galten (vorehelicher Geschlechtsverkehr und Sex überhaupt). Aber er wurde in beiden Fällen freigesprochen.
Wenn ein Buch gelesen werden soll, findet es den Weg zu dir. Das nehme ich aus diesem Beitrag für mich mit. Das Buch selbst spricht mich nicht an, aber da gibt es ja viele andere, die das tun! :)
AntwortenLöschenJa, liebe Doris 🤗 Es gibt eher zu viele Bücher, die einen ansprechen. Ein Leben reicht wohl nicht für alle.
AntwortenLöschenAndererseits: wenn es die richtigen sind, die zu uns finden, finden wir darin wohl auch das Richtige für uns ☺️