Freitag, 13. Juni 2025

Anselm Grün, Meine Musik-Rituale


Zufällig digital reingestolpert und hängen geblieben weil das Thema Musik momentan etwas Raum bei mir einnimmt, wäre ich fast über den  missionarischen Predigtstil im zweifelsfreien “das ist die einzig reine Wahrheit”-Modus gleich wieder rausgestolpert. 

In der Arie »Tief gebückt und voller Reue« singt die Sopranistin von ihrer Schuld. Aber sie beschimpft sich nicht selbst. Sie legt sich einfach vor Gott nieder. Sie gibt alle Selbstrechtfertigungsversuche auf und ergibt sich in ihrer Ohnmacht vor Gott. Aber sie verliert dabei nicht ihre Selbstachtung. Die Musik drückt das Vertrauen in Gottes Geduld aus. Immer wieder singt die Sängerin von der Geduld, die Gott mit ihr hat. Das Wissen um die Geduld Gottes erfüllt sie mit Vertrauen. Sie gesteht die Schuld ein. — Grün, Anselm. „Meine Musik-Rituale.“ BÃrenreiter-Verlag, p. 36

Sträubte ich mich anfangs noch, in ein allumfassendes “wir” ungefragt dazugepackt zu werden und wehrte ich mich vehement gegen die salbungsvolle Verkündung dessen, was “uns” zu Wahrheit und Heilung bringt und dergleichen mehr … las ich trotz allem weiter denn inhaltlich wurden einige für mich durchaus spannende Appetithäppchen dargeboten. Sisyphos hat in Offenbachs “Orpheus und Eurydike” vor Faszination über die Musik damit aufgehört, den Felsen zu rollen und sich draufgesetzt … kannte ich noch nicht … wie schön ist das denn als Stilmittel? Gleich mal reinhören:


Viele Anregungen, viel dazugelernt zu früheren Weltklassetenören (Fritz Wunderlich) und was ist überhaupt ein lyrischer Tenor und wer ist jetzt ein berühmter lebender solcher … (Juan Diego Flórez) und wo singt/spielt wer wann und wo auf etc. Wohlgemerkt: davon steht im Buch im Grunde nix drin. Das war dann immer “Nebenausbeute” beim Hinterherrecherchieren. Konkret im Buch werden folgende Stücke erwähnt bzw. mit diesen setzt sich der Autor im Zusammenhang mit seinen eigenen Ritualen auseinander bzw. erlangten sie spezielle Bedeutung für ihn:

Der Predigttonus wird mir immer egaler; ich kann genauso darüber hinwegsehen, wie ich es als Kind in der Kirche konnte, wo der Dekan der Ortspfarrei - noch real von der Kanzel herab - an manchen Sonntagen bis zu einer Stunde lang predigte und ich - schon damals als “etwas seltsam” eingestuft -  häufig meinen Gefallen daran fand. JA! Ich habe meistens zu.ge.hört. Gerne! Bin innerlich mitgegangen. Habe versucht, mir alles zu merken. Denn auch damals waren viel Wissensbausteine in den Predigten enthalten, die - lange ohne Fernsehen aufwachsend und die max. zwanzig häuslichen Bücher hatten auch eher andere Themen (Imkerei z. B. und katholische Erziehungsratgeber …) - mir neue Inhalte eröffneten. Wissensbruchstücke, Anregungen zum Nachdenken und damit Auseinandersetzen. 

Also … mich schaudert es, wenn ich sowas über lange Strecken höre oder lese …und sowas liest man im Buch reichlich, ausführlich und lange.  Bin ich da seltsam?:

Gott ist in Jesus auch in die Tiefen meiner Seele vorgedrungen …. . Und Weihnachten bedeutet, dass auch wir den Mut finden, in die Tiefen unserer Seele hinabzusteigen, gemeinsam mit Jesus, damit alles in uns von seinem Licht erleuchtet und verwandelt wird. — Grün, Anselm. „Meine Musik-Rituale.“ Bärenreiter-Verlag p. 103

Schon damals - ich erinnere mich genau - störte ich mich - obwohl damit aufgewachsen - immer mehr am fehlenden … Zweifel … und dem Absolutheitsanspruch der missionarischen Verkündungsabsichten (kann ja jeder halten, wie er mag aber alle zu vereinnahmen müsste nicht sein …) Doch das konnte ich ausblenden wenn die Anteile überwogen, die Interesse weckten, neugierig machten und unterhielten. Diese Ausblend-Fähigkeit kam mir nun zugute. 

Im Buch fand sich für mich Neues, das mich freute. Es werden zu allen behandelten Kapiteln - die Struktur und der Aufbau sind allerdings ziemlich originell - konkrete Stücke genannt, besprochen und ausführlich vorgestellt. Parallel hörte ich Musik, Musik, Musik … unterschiedliche Stücke …  nahm das Lesen als eine Art Gedanken-Absprungrampe zum geistigen  Solo des Hölzken-Stöksken-Spiels. Vom Einen zum Nächsten jenseits der Buchinhalte. 

Fand heraus, dass Apple eine eigene Klassik-App bietet (die Nutzung ist im AppleMusik-Abo, das ich habe, enthalten). Es wurde für mich ein einziges  Eintauchen ins Becken der wabernden Ideen mit Sprung vom Drei-Meter-Brett statt immer nur vom Beckenrand zu hüpfen und an der Oberfläche rumzudümpeln. 

Und irgendwann fand ich auch die Texte im Buch nicht mehr nur nervig sondern Stellen, die mich ansprachen und inspirierten.

Trauen Sie dem eigenen Hören und den eigenen Erfahrungen, die Sie beim Hören machen. Hören Sie nicht nur mit den Ohren, sondern mit Ihrem Herzen. Und achten Sie dann auf die Gefühle, die in Ihrem Herzen aufsteigen. Die Gefühle haben immer recht. Es sind Ihre Gefühle. Sie wollen Ihnen etwas Wichtiges über Sie sagen. — Grün, Anselm. „Meine Musik-Rituale.“ BÃrenreiter-Verlag,


Traf  beim Rumsuchen auch sogar auf Stücke mit Orgel, die mir gut gefielen und das,  obwohl Orgel und ich eher selten zusammengehen und nicht gut miteinander können.


Kurz blitzte mir ein Gedanke auf, der mir in früheren Jahren in Bezug aufs Laufen immer mal wieder kam: “Wieso bin ich nicht früher im Leben darauf gestoßen und habe gemerkt, wie toll es ist?!” So ging es mir nun auch mit der Musik, die in meinem Leben insgesamt keine große Rolle spielte und die Entwicklung der Klassik-Liebe startete - anfangs zart und zögerlich - erst vor weniger als zwanzig Jahren.


Andererseits gilt hier ganz sicher die gute alte Platitüde: “Besser spät als nie!” Nicht hadern, dass so spät; dankbar bin ich - in Bezug auf beide “Leidenschaften”, dass sie überhaupt in mein Leben kamen-Amen.


Selten hat ein Buch, dessen Schreibstil mich zunächst hat schaudern lassen und mir auch immer noch im Großen und Ganzen diametral zuwiderläuft, mich gleichzeitig so inspiriert und animiert. Hätten nicht alle mich akut interessierenden Aufführungen von Konzerten und Theaterstücken, auf die ich beim MusikSurfen gestoßen bin, ausgerechnet zu Zeiten stattgefunden, die im persönlichen Kalender schon belegt waren … ich glaube, ich hätte mir die kommenden Monate mit Flügen,  Fahrten und Urlaubsbruchstücken voller Klassik zugeballert  und das Konto dafür leergeräumt 😅


Nur so als Nachtrag … war eine “Nebenausbeute” und der Anfang ist auch für Fußballbanausen nett:






🎶  🪉  🎼

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