In die Hand genommen habe ich das Buch als Taschenbuchausgabe beim Buchvorstellungs-Event der Buchhandlung Lehmkuhl. Vorgestellt wurde es dort nicht. Aber es stand hinter mir und ich wollte mir die Zeit bis zum Veranstaltungsbeginn auf meinem recht unbequemen lehnenlosen Platz an der Auslage vertreiben. Griff das dünnste von allen (es hat nur 123 Seiten) und las den Covertext. Mit der Vorstellung als “Sänger und Instagramphänomen” lief der Autor nahtlos ins scharfe Messer meiner instagramaccountfreien und damit wörtlich zu nehmenden Vorurteile. Und dann noch gewissermaßen was “autobiographisches”
“Jetzt schreiben also die Influencer-Kids schon Autobiographien” spottete es in mir höhnisch.
Das Anlesen - so ca. drei, vier Seiten lang - würde es mir sicher bestätigen …. doch das tat es nicht sondern machte im Gegenteil neugierig auf mehr. Google verriet mir dazu, dass Max Richard Leßmann schon einen Gedichtband mit dem - wie ich finde - genialen Titel “Die Liebe in Zeiten der Follower” geschrieben hatte.
Noch bevor die Veranstaltung begann, war das in der Onleihe vorhandene Buch von mir vorgemerkt, ich konnte es vor einigen Tagen ausleihen und in zwei Tagen voller Unterhaltungs- und Anregungsfreude daran durchlesen.
Auf die zum Buch wunderbar passende Frage aus einer Rezension des NDR und vom Covertext “Würden wir unsere Familienangehörigen auch lieben, wären sie nicht mit uns verwandt?“ wäre für die meisten Leser während der Lektüre die Antwort wohl tendenziell “Im konkreten Fall eher nicht”. Und das ist vermutlich die Absicht.
Max Richard Leßmann schafft es, ziemlich schonungslos Marotten, unangenehme Charakterzüge bis hin zu geradezu abstoßenden menschlichen Eigenschaften seiner Großeltern trotzdem oder sogar erst recht mit den Augen und aus dem Blickwinkel der Liebe zu beschreiben. Umgekehrt seine eigene für die Großeltern unverständliche und oft inakzeptable “Andersartigkeit” dennoch von ihnen geliebt zu wissen.
Viele Dinge, die universell zu sein scheinen wie z. B. der Schwiegermutter-Schwiegertochter-Konflikt zwischen Mutter und Oma ;)
Die beiden schrien sich an, meine Schwester begann zu weinen, mein Großvater aß unbeirrt weiter, und mein Vater versuchte etwas hilflos, Techniken aus dem Streitschlichtungsseminar anzuwenden, das er am Wochenende zuvor besucht hatte. Ohne Erfolg. Er konnte beide Seiten »auf ihre Art und Weise« verstehen, und das machte beide Seiten »auf ihre Art und Weise« nur noch wahnsinniger. — Leßmann, Max Richard. „Sylter Welle.“ Kiepenheuer & Witsch eBook, p. 27
vieles aus generationsbedingten Umständen erklärbar aber auch viele individaltypische Seltsamkeiten seiner in erster Linie Vaterfamilie mit Fokus auf die ihm am nächsten stehenden Großeltern Lore und Ludwig.
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